Lieber gemeinsame zeit statt rosen

Südostschweiz/Glarner Nachrichten 14.02.2023

 

Heute ist der Tag der Liebe, des Kerngeschäfts von Corinne Defuns-Kohler. Die Paartherapeutin verrät, wieso Blumen bei ihr nicht gut ankommen und wieso der Valentinstag für Probleme sorgen kann.

Zwei offene Ohren: «Meine Aufgabe ist es, gegenseitiges Verständnis zu schaffen», so die Therapeutin Corinne Defuns-Kohler

Wenn Sie zwischen einem Blumenstrauss und einer Schachtel mit Pralinés als Valentinstagsgeschenk auswählen könnten, für was würden Sie sich entscheiden?

Für keines von beidem. Es ist spannend, dass ich diesem Thema häufig begegne. Es geht um die fünf Sprachen der Liebe – also was eine Person braucht, um sich geliebt zu fühlen. Bei mir sind Geschenke an letzter Stelle, also für mich nicht wichtig. Wenn mein Partner für mich ein Abendessen kocht oder Zeit mit mir verbringt, ist mir das viel wichtiger.

 

Der Valentinstag schwankt in der Wahrnehmung zwischen Kitsch und Konsum. Wie denken Sie darüber?

Der Valentinstag ist ja keine Schweizer Tradition, sondern wurde aus den USA übernommen. Für mich ist er eine Möglichkeit, sich daran zu erinnern, dass man sich Zeit füreinander nimmt. Das ist eine schöne Einstiegshilfe für Paare dafür, sich jede Woche wieder bewusst Zeit füreinander zu nehmen. Aber dann geht es um die Zeit und nicht um Geschenke.

 

Ist die fehlende Zeit zu zweit ein grundsätzliches Problem, dem Sie bei der Paartherapie begegnen?

Die Paarzeit geht sehr oft verloren. Häufig begleite ich Paare, die eine gewisse Zeit zusammen sind, heiraten und Kinder bekommen. Dann sind sie als Eltern zusammen, aber nicht mehr als Paar. Die Paarzeit geht zuerst verloren und so verlieren sich die Paare aus den Augen. Der Valentinstag ist in diesen Situationen toll, um sich daran zu erinnern, dass man ja nicht nur Eltern, sondern auch ein Paar ist.

 

 

 

«Wenn eine Frau ein Kind bekommt, stirbt die Ich-Ebene.»
- Corinne Defuns-Kohler, Paartherapeutin

 

 

 

Woran liegt es, dass die Paarzeit verloren geht?

Es gibt verschiedene Ebenen: die Ich-Ebene, die Paarebene und die Elternebene. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, stirbt die Ich-Ebene. Damit das Kind überlebt, ist es wichtig, seine Bedürfnisse zurückzustellen. Der Grundbaustein der Therapie ist dann in erster Linie, die Ich-Ebene wieder zu stärken. Wenn diese eine gewisse Stärke hat, kann man auf der Paarebene wieder Motivation fassen. Häufig muss ich dort ansetzen. Junge Familien verwerfen dann sofort die Hände und sagen: ‘Wir haben ja gar keine Zeit.’ Dann stellt sich die Frage, wo man Prioritäten setzt.

 

Ist der Valentinstag ein Thema bei den Beratungen?

Sehr selten. Wenn ich Termine vergab, wies ich die Paare immer darauf hin, dass dann der Valentinstag ist. Ein Paar meinte nur, dass sie bei der Therapie starten und dann noch essen gehen würden.

 

Dann sorgt der Valentinstag nicht für grosse Probleme bei Ihren Kundinnen und Kunden?

Wenn, dann höre ich das erst im Nachhinein. Die Enttäuschung danach, weil es unausgesprochene Erwartungen gab. Wenn eine Person einen Wunsch hat, den die andere Person unbedingt erfüllen soll, also eigentlich eine Erwartung – und das nicht stattfindet. Dann höre ich das im nächsten Gespräch: ‘Du hast mir nicht einmal eine Schachtel mit Pralinés gebracht. Nicht einmal das bin ich dir wert.’ Dabei denkt sich die andere Person nur: "Seit wann feiern wir Valentinstag?"

 

 

 

«Wir sind halt alle keine Hellseher.»
- Corinne Defuns-Kohler, Paartherapeutin

 

 

 

Zugrunde liegt also grundsätzlich ein Problem der Kommunikation?

Ganz viele Leute haben Wünsche und Erwartungen an ihr Gegenüber und kommunizieren diese nicht. Wir sind aber alle keine Hellseher. Darum ist es total wichtig, im Voraus zu klären, ob man sich Zeit füreinander nimmt. Wie diese dann gefüllt wird, ist wieder ein anderes Thema.

 

Welche anderen Probleme werden oft angesprochen?

Die fehlende Kommunikation ist schon die Basis für die meisten Probleme. Dazu kommt heutzutage häufig noch die Rollenverteilung. Wir Frauen haben die riesige Chance, dass wir uns neu definieren können. Wir leben in einer Zeit, in der die klassische Rollenverteilung nicht mehr vorgegeben ist. Also dass die Frau nach der Geburt des Kindes nicht automatisch als Familienmanagerin zu Hause bleibt und der Mann arbeiten geht. Heute ist es eine Chance, dass auch Männer sagen können, sie möchten Teilzeit arbeiten. Das ergibt so viele Diskussionspunkte, weil dieses Konzept in unserer Gesellschaft noch relativ neu ist. Somit muss das Paar vieles neu definieren. Dabei gibt es häufig Probleme, da es auf der Elternebene noch nicht klar ist, wer was übernimmt.

 

Wie gehen Sie in solchen Fällen vor?

Wir klären immer zuerst, welche Wünsche und Erwartungen es gibt. Bei einem Wunsch bin ich ergebnisoffen. Wenn ich mir vom anderen wünsche, er solle sich mehr um die Kinder kümmern, dann darf er das machen oder nicht, aber es ändert nichts an meiner Grundhaltung. Wenn ich eine Erwartung habe, möchte ich wirklich, dass er das macht. Wenn das dann nicht passiert, habe ich ein Problem damit, weil mein Ziel nicht erfüllt ist. Darum muss man Wünsche und Erwartungen zuerst voneinander trennen. Dabei wird meist offensichtlich, dass es Erwartungen gibt, die nicht ausgesprochen werden.

 

Wie lösen Sie dieses Problem?

Es ist wichtig, dass alle Erwartungen auf dem Tisch sind, Raum haben und ausgesprochen werden. Oftmals gerät das Gegenüber dann gleich in eine Verteidigungshaltung. In diesen Fällen bin ich die Übersetzerin und versuche, dass die Erwartungen von beiden Seiten einfach Raum bekommen. Dann erarbeiten wir gemeinsam, welche sich decken oder bei welchen man einen Kompromiss findet. Meine Aufgabe ist es, gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Die Partner sollen sich gegenseitig verstehen. Wenn das Paar an diesen Punkt kommt, ist schon ganz viel gelöst. Die meisten Paare kommen alleine aber gar nicht so weit, weil sie die Erwartungen und Wünsche nicht äussern oder sie sich dafür keine Zeit nehmen.

 

Haben Sie abschliessend noch einen Tipp, den man am Valentinstag berücksichtigen sollte?

Macht online den Test zu den fünf Sprachen der Liebe, den findet ihr überall. Tauscht das untereinander aus, damit das Gegenüber weiss, welche Sprache für euch wichtig ist. So findet ihr heraus, was allenfalls für den Valentinstag erwartet wird und man kann eher abschätzen, womit man dem anderen eine Freude machen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

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